Buchvorstellung

Nachdem ich früher in Firmen Vorträge über Burn-out gehalten habe und dabei Bore-out nur am Rande erwähnte, ich auch in meiner Praxis eher mit Üerforderung als mit Unterforderung zu tun habe, ist mir vor 1 1/2 Jahren der erste Fall von Bore-out begegnet: Lars Guldenbach.

Ich kenne Lars schon länger und weiß, wie schwer es ihm gefallen sein muss, sich zu outen. Das Tragische an vielen Störungen der Seele ist es, dass die Selbstzweifel, die Scham und die Schuldgefühle der Betroffenen dazu kommen und Teil der Symptomatik sind. Zu erkennen, dass das System krank ist, in dem man lebt, ist nicht einfach. Umso mehr freut es mich, dass Lars mit seiner Geschichte raus gegangen ist und seine Erlebnisse in seinem Buch „Endstation Bore-out“ verarbeitet hat, das jetzt ganz frisch auf dem Markt ist. Für mich ein Grund, nach Köln zu fahren und mit ihm über diese Thematik zu sprechen.

Endstation Bore-out

Lars Guldenbach berichtet von seinem Alltag als Projektmanager bei verschiedenen Banken und wie er über einen Zeitraum von mehreren Jahren aufgrund von Langeweile und Unterforderung körperlich und seelisch immer stärker abbaut. Es dauert lange, bis er die Diagnose Bore-out erhält und begreift, dass er seinen hoch bezahlten Job kündigen muss, um wieder gesund zu werden. Er nutzt einen Aufenthalt in Nepal, um einerseits die Ereignisse der Vergangenheit Revue passieren zu lassen und berichtet andererseits über seine Erlebnisse vor Ort.

Das Buch hat die ISBN Nummer: 978-3744839945
Es ist zu bestellen über Books on Demand: https://www.bod.de/buchshop/endstation-bore-out-lars-guldenbach-9783744839945#review-form

Wikipedia

Als Boreout-Syndrom (von englisch boredom ‚Langeweile‘) bzw. „ausgelangweilt sein“[1] wird ein Zustand ausgesprochener Unterforderung im Arbeitsleben bezeichnet, der bislang eher in den Medien als im wissenschaftlichen Bereich unter dem Aspekt eines Krankheitsbildes diskutiert wird. Boreout wird als paralleles Gegenstück des Burnout-Syndroms charakterisiert,[2] das selbst in den Burnout münden kann.[3]

Das Interview mit Lars Guldenbach

Wie fühlt es sich an, sein erstes Buch in Händen zu halten?

Das ist ein unglaublich intensives Gefühl, vor allem endlich mal wieder nach Jahren das Gefühl „Stolz“ zu spüren. Das ist wie etwas zu gebären, etwas Neues, was Du geschaffen hast. Ein zartes Pflänzchen in der prallen Welt. Ich bin ein Mensch, der muss Dinge schwarz auf weiß sehen, erst dann glaube ich es. Und so ein echtes Buch mit ISBN Nummer ist schon sagenhaft.

Wie geht es dir heute?

Viel besser im Vergleich zu letztes Jahr. Ich war zum Schluss ein Häufchen Elend, Angst vor dem was kommt, Existenzangst, Zukunftsangst. Ich war nicht mehr im hier und jetzt, sondern hing in der Vergangenheit mit Selbstzweifeln und in der Zukunft mit Sorgen. Heute und dank des MBSR Kurses und der Achtsamkeitsübungen bin ich wieder im aktuellen Leben angekommen. Ich fühle mich wohl, genieße den Tag. Aber es ist nicht so, als würde ich mir nur an den Füßen pulen (Lars lacht), vielmehr habe ich das Gefühl, endlich den ganzen Tag etwas Sinnstiftendes zu tun. Das macht mir total Spaß macht. Ich genieße das, denn ich habe dieses Gefühl so unendlich vermisst.

Wenn Du die Uhr zwei Jahre zurückdrehst, was hat sich bei Dir grundlegend geändert?

Das hier und heute zu genießen. Früher wurde ich gelebt, oder vielmehr gelangweilt. Jetzt bin ich aktiver und lebe. Den Tag, mein Zuhause, mein Umfeld. Ich genieße jeden Moment, nicht wie früher, wo ich tolle Urlaube gemacht habe, mich jedoch nur kurzzeitig betäubt hatte, um nicht mehr meine Langeweile und das einhergehende Gefühl der Sinnlosigkeit zu spüren. Diese innere Leere kann man einem Außenstehenden nur schwer beschreiben. Die Ablenkung es ist wie eine Droge, die nur kurz anhält, danach kehrt die Einsamkeit zurück. Dies hat sich bei geändert und auch die Tatsache, dass ich mir nicht mehr alles gefallen lasse, auf meinen Bauch und meinen Verstand mehr achte. Achtsamkeit eben, das hat sich geändert.

Warum ist es dir so schwer gefallen damals, über dein Problem zu sprechen?

Ich habe in meinen Jobs sehr viel Geld verdient, Banken bezahlen ohnehin gut und dann auch noch als Projektmanager, da kam so einiges zusammen. Ist man nach außen hin erfolgreich, ist es ziemlich unsexy, über psychische Probleme zu reden. Würden sie mich wirklich verstehen? Ich hatte es ja lange nicht selber verstanden, wie mich das alles jahrelang ausgehöhlt und zermürbt hat. Auch hatte ich Angst, dass Neid aufkommt, weil ich ja viel Geld verdiente. Oder dass ich als Schnorrertyp abgestempelt werde: der sitzt da in der Bank wie die Made im Speck, surft den ganzen Tag rum und grinst sich noch einen. Habe ich es mal anklingen lassen, wiederholten sie im Grunde meine innere Stimme:  „Denk an die Kohle, mach die Faust in der Tasche usw.“ Aber nichts ist schlimmer als keine Anerkennung und Wertschätzung zu bekommen, das geht auf das Selbstwertgefühl. Wo willst du sonst die Motivation hernehmen? Mit noch mehr Kohle? Nein, definitiv nicht. Und letztendlich kannst du dir nur selber helfen, indem du die Reißleine ziehst.

Wie hat damals Dein Mann reagiert, der beruflich sehr eingespannt und erfolgreich ist, als Du dich ihm anvertraut hast?

Simon wusste lange nicht, wie es um mich steht. Ich hatte mich vor ihm geschämt, dass ich nicht mehr mit ihm auf Augenhöhe würde agieren können. Und das hatte mich sehr belastet. Ich wollte nicht als Looser dastehen. Also fraß ich es in mich rein.
Ich hatte aber auch nicht die klare Erkenntnis darüber, dass ich auf dem besten Wege war, richtig krank zu werden. Denn sonst hätte ich es ja auch nicht so weit kommen lassen. Ich werde oft gefragt: Wie hatten Sie sich gefühlt? Welche Erkenntnis hatten Sie? Ich hatte keine. Sonst hätte ich viel früher reagiert! Als ich mich dann meinem Mann endlich öffnete, war er sehr betroffen. Das war an einem Punkt, wo es schon richtig bergab mit mir ging. Er war dann einfach nur für mich da, und gemeinsam gingen wir dann Schritt für Schritt durch das seelische Tal. Ich war froh, dass ich ihn hatte und bin ihm dankbar, dass es zu mir gehalten hat.

Bist du auch bei einigen Menschen auf Unverständnis gestoßen, als du mit deiner Geschichte raus gegangen bist?

Nein, ein klares Nein. Meine Freunde haben von Anfang an zu mir gehalten, als ich mich ihnen geöffnet hatte. Ich muss aber dazu sagen, dass ich mich in der Zeit erst langsam öffnete, und immer in 4-Augen-Gesprächen, damit die Leute es auch wirklich verstehen. Ein Freund sagte damals: „Krass, jetzt kapier ich das endlich!“

Wann war der Zeitpunkt, dass Du akzeptiert hattest, dass Du krank bist?

Ich habe vor zwei Jahren (Ende 2015) in meiner Langeweile viel gegoogelt und bin da überhaupt erst auf den Begriff Bore-out gestoßen. Habe einige Tests gemacht, immer weiter mich in Artikel und Bücher vergraben und recherchiert. Es war für mich erschreckend und befreiend zu gleich, als das Kind plötzlich einen Namen hatte, dass ich auf Tests anschlug und auch mit meiner Krankheit nicht alleine war. Das war damals wie ein Outing, eine Erkenntnis.

Man spricht ja von einem Bore-Out Syndrom, wie sah das bei Dir aus? Hattest Du auch körperliche Symptome?

Ja, in der Tat, und das nicht zu knapp. Ich hatte permanente Rückenschmerzen, die mich schwer wie Blei nach unten zogen. Zudem wurden Stiche in der Brust immer stärker, wie ein zu fester Panzer einer Ritterrüstung fühlte sich das an. Nur mit Mühe bekam ich Linderung von Ärzten und Physio, und dazu regemäßig Ibuprofen in rauen Mengen. Das konnte auf Dauer nicht gut gehen. Deswegen auch hier immer wieder mein Credo: „Hör auf Deinen Körper! Sei achtsam mit Dir!“

Was war in diesem ganzen Prozess der Veränderung Deine größte Angst?

Die Angst vor der Zukunft, ob die Entscheidung, den Job zu kündigen, richtig ist. Dass ich etwas mache, was nicht mehr zurückdrehbar ist. Und die Sorge, ob ich das alles richtig verstehe oder ob ich mich da nicht in irgendetwas hineinsteigere. Also die Selbstzweifel auf der einen und die Zukunftsangst vor etwas Neuem auf der anderen Seite.

Ich bin ja Resilienz-Expertin. Welche optimistische Einstellung hat dir geholfen?  Wie schaffst du es, immer wieder in die Selbstverantwortung und in die Selbstfürsorge zu gehen?

Ich habe mich an ein Sprichwort erinnert: Wenn Du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. Und ich fühlte mich in dieser Zeit verdammt klein, obwohl ich rein physisch groß bin. Die ersten Monate 2016 war ich ja total neben mir und konnte erst langsam Fuß fassen. Ich habe mir viel Unterstützung geholt, zum Beispiel einen Achtsamkeitskurs gemacht, habe angefangen zu meditieren. Das schult meine Wahrnehmung, ich bekomme jetzt schneller mit, wenn mir etwas nicht guttut und kann gegensteuern. Das Persönlichkeitsprofil von SIZE Prozess®, das ich mit dir gemacht habe half mir, noch mal zu verstehen, warum das alles passiert ist. Ich habe erkannt, dass die Erfüllung meiner psychischen Grundbedürfnisse jahrelang zu kurz gekommen ist. Es half mir, das Geschehene zu akzeptieren ohne mir permanent die Schuld dafür zu geben, mich wieder auf meine Stärken zu konzentrieren. Und letztlich hat mir das „sich von der Seele schreiben“ sehr geholfen, als die Fingerchen über die Tasten flogen, dass tat mir so unendlich gut und befreite mich.

Da wir davon sprechen, als wir dein Profil von SIZE Prozess® ausgewertet hatten, warst du ja ziemlich überrascht….

(Lars schmunzelt) Anfangs wollte ich es nicht wahrhaben, war fassungslos als ich es schwarz auf weiß sah. Kreative Menschen habe ich bis dato anders eingeordnet, jetzt sollte ich selbst hochkreativ sein? Ich brauchte auch hier die Erkenntnis, musste es mir immer wieder erklären lassen und zwischen den Zeilen nachlesen. Da lässt man sein eigenes Schubladendenken los. Inzwischen ist es mir eine große Hilfe und ich blättere auch regelmäßig im Profil, weil ich es einfach weiter verinnerlichen und verstehen will. SIZE Prozess® ist schon sehr intensiv und detailliert beschrieben, das liest man nicht einmal zwischen Tür und Angel.

Was würdest Du Betroffenen raten?

Wertvolle Hinweise liefert mein Buch. Ganz wichtig ist definitiv, immer auf die innere Stimme hören, sie ist neben dem Bauch der beste Meinungsmacher.

Wie kann man mit dir in Kontakt treten?

Ich würde mich sehr über einen Kommentar und eine Nachricht auf meiner Facebook Seite freuen. Ich habe noch keine Webseite, Blog oder ähnliches, finde aber den Austausch sehr bereichernd. Also, ich freue mich über jede Nachricht auf der Seite von Lars Guldenbach!

Wie geht Dein Leben weiter?

Da heißt es wirklich mal abwarten und schauen, was die nächsten Monate bringen [lach]. Bis dahin tief einatmen und OOoooohhhhmmmmmm!

Kontakt: lars.guldenbach@yahoo.com

10 Fragen – zehn Antworten

Name:  Lars Guldenbach
Bänker, Autor und achtsamer Mensch

Was sind deine größten Stärken?
Mein Humor und der empathische Umgang mit Menschen

Welches ist eines deiner schönsten Erlebnisse?
Der Sonnenuntergang in Key West und überhaupt auf Reisen abendliche Stimmungen am Wasser zu genießen.

Hast du ein Vorbild? Wenn ja, wen?
Kein spezielles Vorbild, mir imponieren alle Menschen, die in ihrem Leben etwas Sinnstiftendes bewegt haben.

Wenn du für einen Tag in die Rolle einer anderen Person schlüpfen könntest, wer wäre das?
Ich wäre gerne mal einen Tag in der Rolle von Angela Merkel.

Was ist deine stärkste Ressource?
Mein Humor

Wovon würdest du dich für kein Geld in der Welt trennen?
Von einem guten Bett und einer Wohlfühlmatratze

Welche Herausforderung hast du zuletzt gemeistert, bei der du etwas Neues lernen musstest?
Im Rahmen meines Bore-Outs das Buch zu schreiben und einen neuen beruflichen Weg zu gehen. 

Dich muss ich das einfach fragen, auch wenn es sich ein bisschen nach Poesiealbum anhört: Was ist dein Lieblingsessen?
Rinderrouladen, dafür kannst Du mich nachts wecken.

Welches Buch würdest du mit auf eine einsame Insel nehmen?
„Die Erben Kains“ von John Jakes

Was ist dein Lebensmotto?
Wenn Du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.

Bist du selber betroffen?

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